Arbeitsmaterialien der Working Woman des 19. Jahrhunderts: die Notebooktasche von Bettina von Arnim. Die Schriftstellerin hatte zwar noch Feder, Kreide und Nähnadeln dabei, aber das Format ist schon 1a tabletoptimiert. Ich hatte die Freude, im Lieblingskulturschlösschen in Wiepersdorf eine Nachbildung des Originals von Hofbuchbinder A. Mossner / Berlin abzulichten.
Die Buchbinderin Waltraud Zinßer aus Darmstadt sah die grüne Ledertasche 2009 in einer Sonderausstellung im Goethehaus/Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt, war begeistert und baute sie als 1:1-Modell aus Karton mit Stoff nach. Eh voilà! Ich habe mir das Modell im Achim und Bettina von Arnim Museum in Wiepersdorf angeschaut.
Ich bin seit einiger Weile von dieser modernen Arbeitstasche begeistert, die meines Wissens nach so von Bettina von Arnim selbst inspiriert wurde. So durchdacht und funktional ist sie. Da passt viel hinein und auch die empfindlichen Papierbögen werden so eingeklemmt, dass nichts knickt und knüddelt. Nun, wer sich um die Armenfrage in Preußen gekümmert hat, der hat auch bei der Gestaltung seines Reisesekretärs ein Wörtchen mitzureden gehabt.
Das lederne Original wohnt im Freien Deutschen Hochstift, hat schon das eine oder andere Jahrhundert auf dem Buckel und ist deswegen auch dort nicht in der Dauerausstellung zu sehen. Denn, wie die Wiepersdorfer Schlossherrin, Direktorin Anne Frechen, so schön formulierte: Dafür würde es etwa Lichtschutzfaktor 150 brauchen. Das geht natürlich nicht.
Werfen Sie ruhig einen Blick auf das Foto – sieht die Tasche nicht aus wie direkt von Hermès? Auch wenn die Schlossherrin üblicherweise ausflippt, wenn das Gespräch auf Bettina-Torte oder ähnliche Marketing-Gags kommt, die historisch rein gar nichts mit Bettina von Arnim zu tun haben, so stünde der Name einer Taschen-Neuauflage aus dem 21. Jahrhundert zweifellos korrekt fest: die Bettina-Tasche. Bettina by Hermès oder, besser noch: Bettina by Bree.
Am besten gleich als Brigitte-Sondermodell; da stimmen Zielgruppen und Vertriebsweg ebenfalls … Ein paar kleine Anpassungen an die Jetztzeit müssten noch sein – so wären ein Smartphone-Fach, eine Schlüsselschlange und Platz für Lippenstift und Co. notwendig. Auch hatte Frau von Welt aus dem 19. Jahrhundert wahrscheinlich keine große Geldbörse, sondern eher einen Beutel dabei. Geldscheine und Plastikkarten wären heute wohl unverzichtbar.
Mein Besuch der Bettina-Handtasche und die Fotografiererei, die natürlich nicht allein auf meiner Symphatie Geschichte, Haus und Schlossherrin gegenüber basieren, hatten handfeste Gründe: Im Sommersemester 2015 wird das Achim und Bettina von Arnim Museum im Zentrum eines Seminars an der FU stehen, in dem wir ein praxisnahes Kulturmarketing-Konzept entwickeln werden. Da stelle ich mir eine kleine Diashow aus dem Inneren des Museums zur Einstimmung in der ersten Seminarstunde ganz inspirierend vor.
Damit ich den Studis noch ein bisschen schlaueres Zeug erzählen kann als ich es vielleicht jetzt schon, nach sieben, acht Jahren aktiven Germanistinnen-Fangirltums tun kann, habe ich mich zur Vorbereitung an diesen authentischen Ort der deutschen Romantik, wie Anne Frechen Wiepersdorf zu Recht bezeichnet, begeben. Übrigens ist dieser Wohn- und Lebensort von (mehr) Achim und (weniger) Bettina von Arnim ebenso in späteren Epochen prägend für das Kulturschaffen gewesen und ist es bis heute – auch über die DDR-Zeit des Hauses als Künstlerort und über den Historienmaler und Dichterenkel Achim von Arnim-Bärwalde wird dann noch zu reden sein.